Best loss. Werfel über Armenien, das Vergessen ist schneller als das erinnern. – Wenn das Leben aus einer Anhäufung von Verlusten besteht, geht es auch darum, den best loss zu finden. Dazu später. 6.2., um mal wieder ein Datum zu nennen. Welcher Tag ist überhaupt? Geburtstag von E.. Morgen früh um Acht kommt der Hauswart. Die Nelken halten am besten. Die Pinkfarbenen, viele Knospen an einem Stengel, blühen auf, sie erweisen sich als knallrobust, sehen nicht mehr struppig aus. Haben den einen Nachtfrost gut überstanden. Oder viel mehr. Zu Sträußen im Fünferpack gebündelt, in Zellophan gehüllt, in einem Haufen anderer Sträuße mit gleichem Schicksal: Müll. Die weißen, faustgroßen Einzelnen am Stiel, geben auch prächtig was her. Riechen tut keine. Pheromene sind zur Fortpflanzung da. Die ist bei Blumen zum Massenverkauf in Billigdiscountern nicht relevant. Die von M. gekauften Tulpen haben längst schlapp gemacht, die Rosen auch. Nelken also. Blühn wie verrückt. Wo kommen sie her? Ok, sie lagen in einem Haufen, in Kartons, in Plastik, ihr Haltbarkeitsdatum ist abgelaufen, sie sind kurz vorm Exitus oder schon hinüber, ein Himmelreich für einen Komposthaufen, nach Stunden Unter Null am Eingang zu einer Containerhalle sind sie Matsch, sobald sie ins Warme kommen. Die Nelken überstehen das. Und die Fresien, noch so eine als Dekor der Spießigkeit unterschätzte Blume. Von den zwölf Zwiebeln, die ich letztes Jahr in verschiedenen Balkonkübeln versenkt hab, ist eine gekommen, sie blüht seit November, in einem sehr trotzigen Weiß.
Ich wollte von Leuten erzählen, die alle zu wenig Liebe gekriegt haben oder immer noch da fest stecken und also permanent zu wenig kriegen. Kindsköpfe, die sich Namen geben, Tiernamen, aus Kinderfilmen, aus gezeichneten, inzwischen „computeranimierten Comics“, aus Walt-Disney-Produktionen, ohne zu wissen, was sie tun. Fantasienamen, aus Zeiten, als sie noch an Fantasie glauben durften. Fünfzigjährige mit Sicherheitsnadeln in der Lippe. Und dezidiertem Geschmack. In der Kleiderkammer bestehen sie auf schwarzen leggings, die langen Unterhosen, dazu schwarze Socken? Der Klavierkurs in Kreuzberg ist ausgefallen, in der Bibliothek sind bis zum frühen Nachmittag die Computer frei. In der AGB riecht einer auf der Heizung, einer liegt zu breit, ein Alter lädt mich ein, den lilafarbenen Sitzwürfel neben ihm einzunehmen. Als ich mein Blatt habe, ist er besetzt. Wir blinzeln uns aber nochmal zu. Manchmal denk ich, ich bin in einem Science Fiction Film, in dem wir lustige Ameisen spielen. Lacht da überhaupt noch jemand?
Typen schilderst du da! Die hocken auf Sitzwürfeln oder auf Heizungen, haben Nadelzeugs im Gesicht, ältere auch. Sowas gibt es hier auf dem Dorf nicht, da schiebt man eher mal angezogen eine Schubkarre oder bastelt an Eisweinformeln.Ich such mal meine schwarzen Leggingtrousers…
Gefällt mirGefällt 1 Person
Eisweinformeln hören sich aber auch interessant an. Wo bleibt eigentlich
der Hauswart?
Gefällt mirGefällt 1 Person
„Manchmal denk ich, ich bin in einem Science Fiction Film, in dem wir lustige Ameisen spielen. Lacht da überhaupt noch jemand?“
Darüber kann ich lachen. Danke für diese Sätze!
Gefällt mirGefällt 2 Personen
Wie schön, dann start ich doch auch gleich mal viel heiterer in den Tag.
Gefällt mirGefällt 2 Personen
Pingback: Lustige Wissenschaft ©
ach klauen, wie hieß das früher noch? Es gibt kein Privateigentum an Kugelschreibern, Feuerzeugen und Zehnmark-Scheinen – an belustigenden Sätzen sowieso nicht. Dank und Gruß
Gefällt mirGefällt mir