
Pieta vor der Wache – im Hof stehen Unfallautos
Die Katzen vom Shaman Bookstore in Chiang Mai lagern in laszivem Desinteresse zwischen und auf den Regalen des erlesenen Sortiments an Secondhand-Büchern. (Elephanta Suite von Paul Theroux gefunden.) Odalisque von Ingres fällt mir dazu ein, aber das liegt wahrscheinlich am türkischen Kardamom-Kaffee, den ich gerade auf dem Atatürk Flughafen von Istanbul trinke. Die Raucherterrasse ist ein luftiger, mit Maschendraht umgebener Käfig und hängt wie ein Vogelhorst an der Fassade. Wie gerne würde ich mich zu den Männern in dunkelblauen Anzügen gesellen, eine Slimkippe schnorren und gedankenverloren auf das Flugfeld blicken, noch so eine Erinnerung. Worst pollution worldwide, titelte die Thaitimes über Chiang Mai. Der Air Quality Index (aqicn.org., neue Lieblingsseite) ist mit über 300 Punkten im violetten Bereich – vor Dhaka, Ulan Bator, Kabul – danach kommt nur noch braun, bedeutet kurz vor Erstickungstod, jedenfalls wenn man eh schon aus dem letzten Loch pfeift. Waldbrände, abfackelnde Reisstoppelfelder, Smog und eine Hitze, die wie ein dicker staubiger Teppich auf dem Land lastet, in die Straßen der Städte drückt und über den Bergen liegt, machen nicht nur Alten und Gebrechlichen das Luftholen schwer. Particular Matters, PM10, Messwert für Feinstaub, Bangkok bei 38 Grad 174: Berlin heute 14. Seit der Besuch in einigen Tempeln von Chiang Mai Eindritt kostet, haben die Selfieo-Orgien abgenommen. Eine Gruppe älterer Frauen in schwarzen Spitzenkleidern und passenden Handtaschen kommt barfüßig herein, andächtig knien sie sich vor dem goldenen Altar auf den Boden. Im Tempel nebenan ist eine Leiche aufgebahrt, stundenlang singen die Moönche ihren Sermon, es gibt Essen und süßen Tee für alle, die Trauernden tragen weiß. Ein junges Nüttchen platziert sich vor die vornehmen Damen, freilich nicht zum Gebet, sie schüttelt die Haare zurecht und posiert für ein Foto, mit dem Rücken, oh weh, Tabu, Blasphemie!, mit den nackten Füßen, zum Buddha. Da kramen auch die schwarzen Witwen ihre Handys aus den Handtaschen und fotografiern sich reihum genauso. Im nächsten Tempel gibt eine weißgekleidete Nonne (?) einen dreistündigen Meditationskurs, Schwester Boa meditiert 15 Stunden am Tag und ernährt sich von wässriger Kürbissuppe. Damit heile sie sogar Zahnschmerzen, an der Schläfe hat sie ein talergroßes schwarzes Geschwür, das hat wohl auch seine Richtigkeit. Ich bin aus Versehen da gelandet, bzw nicht mehr rechtzeitig davon gekommen. Zum Einüben bewegen wir eine halbe Stunde die Hände und Unterarme in minimalistischem Ablauf, Hand auf Bauch, Hand aufs Herz. Dann laufen wir eine Stunde hin und her, ganz langsam, Schritt für Schritt, mit der ganzen Sohle den Boden berühren, Gewicht verlagern, ausatmen. Die zwei jungen Amerikanerinnen und eine Alleinreisende aus Prag können das ganz gut, Gehen-Meditation, in sich gehen, sich finden, mich finden vor allem drei Moskitos. Im Wandelgarten des königlichen Haupttempels hängen Kalendersprüche auf verwitterten Holztäfelchen in den Bäumen. Good to forgive, the best to forget. In einer silbrigen Blechschale liegen Briefumschläge für die Spenden bereit. Ein Mönch nimmt die Umschläge auf einem gelben Tuch entgegen, spritzt einem etwas Weihwasser mit einem Besen aufs Haupt, knotet Bändel ums Handgelenk, a glas of wine, a cigarette, and than its time to go…

Shaman Bookstore in Chiang Mai
Deine Reise schon wieder vorbei? Ich habe deine Berichte mit Genuss gelesen an den grauen Regentagen in Berlin. Du kommst gerade rechtzeitig zurück. Der Frühling ist da. Heute konnte ich zum ersten Mal abends draußen sitzen.
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jau, Frühlingsanfang, Tag- und Nachtgleiche und Vollmond, und sooo gute Luft hier….war aber schon ein wenig kurz diesmal,
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IDu malst mit Worten Bilder. ch lese Dich immer wieder mit Bewunderung und mit großem Genuss.
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(Meine Kommentare- nur echt mit mindestens einem Schreibfehler. Für Dich gleich zwei. :))
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hihi, da hab ich bei mir auch gleich noch mal drei Vertipper korrigiert…
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Danke!!!
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