Dünne Jungen springen die zehn oder mehr Meter des Wasserfalls hinunter. SIe tragen dabei ihre engen Jeans und manche sogar stolz Kapuzenshirts, nur die Schlappen werfen sie voraus ins tosende Wasser. Unverblümt schauen sie die Touristinnen in den Bikinis an. wir schauen zurück und lassen uns an den schwarzen Fels geklammert minutenlang den Rücken vom donnernden Wasserfall massieren. Mehr von außen geht nicht. Nur ein paar hundert Metee weiter, wo die Bambusstege über die brodelnden Pools enden und die Picknick-, Wasch- und Badezone aufhört, führt der Pfad ins struppige Gebüsch. Ein uralter Mann hackt mit seiner Machete Brennholz, er deutet verschämt auf seinen eingefallenen Brustkorb und in den Himmel, ein bisschen zu großer Geldschein (das Kleingeld haben mir zuvor kleine Mädchen mit gerösteten Bohnenkernen abgeknöpft) verzaubert sein Runzelgesicht zu einem zahnlosen Lächeln. Sein nahes Dorf hat keine Straße, die mit dem Auto erreichbar wäre. In der Mitte des Dorfplatzes steht ein großes Gemeinschaftshaus. Das ist ein Spirithouse, ein ho kuan der Ngae Ethnie, ein Geisterhaus. Die schwarz bemalten Holzplanken sind mit Zeichen, Schlangenlinien und Kringeln in weißen Pinselstrichen dekoriert. So ähnlich hab ich das bisher nur auf den Trobriand Inseln gsehen. Einmal im Jahr, jetzt im März, werden hier die Geister der Ahnen mit rituellen Umrundungen, zeremoniellen Tänzen und Getrommel beschworen. Für Fremde wie mich, Frauen wahrscheinlich sowieso, ist das alles Tabu, Knochen und Towrhörner werden dort aufbewahrt, das Schlagen der Ttommel und auch die roh geschnitzen Holzpfosen bloß nicht berühren, warnt eine verblichene Tafel. Ein paar ältere Männer sitzen am Rand des Platzes im Schatten und beobachten mich misstrauisch. Ich mach mich lieber vom Acker. Am Dorfausgang ist eine schmutzwassrige Gänsefurt, danach stellt sich ein ein Mann mit Machete – haben alle immer dabei – in den Weg. Mit einem Stöckchen malt er Kreise und Linien in den Staub, und eine Zahl, so viel Gled will er dafür, dass er mich führen würde, ich steige ihm nach über drei Zäune und durch Gärten, dann ists mir zu blöd und ich geh allein einen zaunlosen Trampelpfad an abgefackelten Reisstoppelfelder entlang. Die gleissende Sonne steht hoch, mir ist ein bisschen gespenstisch zumute. Als ich eine Stunde später das nächste Dorf und eine Straße sehe, bin ich erleichtert. Auch dort gibt es ein bemaltes Ahnenhaus in der Mitte. Hier sitzen Männer drin und palavern laut. Bier haben sie auch. Frauen lagern ringsum im Schatten unter ihren Häusern, Hühner, Ferkel und große Muttersäue laufen herum. Mädchen grüßen scheu.
Gibt es wirklich noch Paradiese, hier scheint es so.
Habe bei den Sioux (Rosebud Reservation) Rituale erlebt (1983). Frauen werden einbezogen, so konnte auch ich dabei sein, s. LAKOTA Tagebuch, in Bär schaut zurück/bear-looking behind/Werke 1960 – 1990, Distanz Verlag. Würde gerne ein Buch zu schicken, wohin?
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Danke! ziemlich nah am Paradies, zumindest für mich als Besucherin, war das da schon. Wie interessant, Deine Berichte über die Sioux Rituale würd ich gerne leasen – komme aber vermutlich das kommende halben Jahr kaum ernsthaft dazu, weil ich in einer Buchpreisjury sein und da sehr viel Stoff lesen darf. Ich wohne Boxhagener 54, 10245 b, l s. ,
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