Die Geister haben schlechte Laune

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Ameisen haben den Klebreis im Bambusrohr erobert, das Kartoffelcurry beschert mir eine nächtliche Entschlackungskur, die Minivans zum nächsten Ziel sind ausgebucht. Irgendwie läuft das neue Jahr suboprimal an. Es ist wohl an der Zeit, die Geister zu bestechen. Drei Stunden dauert die 110 km lange Fahrt mit der nun doch wieder gelben Klapperkiste über die Berge. Weil sich 20 Passagiere hineinquetschen müssen, sehe ich nichts von der berühmten “scenic“ Landschaft, wegen der sich Touristen in Chiang Mai Motorräder mieten und den legendären Mae Hong Son Loop mit 1856 Kurven auf 900 noch was km in einer Woche abfahren. Es ist so eng, dass zwei junge Bauersfrauen nicht mal Platz finden, um sich zwischen unseren Füßen auf den Boden zu setzen und deshalb über Stunden völlig verbogen stehen müssen. Der Körper ist die Erfahrung, die Knochen, die Bandscheiben, die halben Hinterteile speichern unsere Erinnerung. Die pinkfarben ausstaffierten Töchter der Frauen, alle Männer sowieso, okkupieren mit größter Selbstverständlichkeit Sitzplätze. Frauen, besonders die aus traditionellen ethnischen Gemeinschaften, sind hier der letzte Dreck. Ein korpulenter Teddybär mit seiner Freundin fläzt sich, unentwegt eklig mit ihr knuddelnd, über eine halbe Sitzbank. Seine Freundin platzt schier aus ihrem knappen Cocktail (!) -Kleidchen, ihr weißes Fick-, sorry Schenkelfleisch ist bis zum Schritt entblößt. Aus ihrem rosafarbenen Handtäschchen mit Straußenfederflaum und Klunkerbesatz fingert sie alle Nase lang mit irren Krallen, ebenfalls mit Glitzersteinwülsten dekoriert, stolz ihr Telefon heraus. Während die Mädchen eine Plastiktüte nach der anderem vollreihern, von den gekrümmt kauernden Müttern geduldig nachgereicht und dann lässig auf die Straße geworfen, füttert die Jungverliebte ihren Fettsack mit Keksen, die nach künstlichem Erdbeeraroma duften. Pai, mein Ziel, ist ein berüchtigter Hotspot für langhaariges, gerne auch dröhnendes Backpackerpack aus allen westlichen Gefilden. Sie kommen aus Frankreich, der Schweiz, Spanien, Israel, der Ukraine usw., um hier die tollste Party zu feiern. Vom Busbahnhof aus reiht sich ein Guesthouse ans nächste, Kneipen, Cafes, Massagesalons, Tattoobuden, free wifi allerorten. Um minimalen Abstand vom alternativen Ballermann-Mob zu bekommen, ist dringend ein upgrade nötig, meine schwächelnden Beine lotsen mich wie von selbst in eine Oase. Im TaiYai, das steht für Shan, stehen verspielt ausstaffierte Holzhäuschen in einem verschwenderischen Blumengarten, Stare zwitschern, Hähne krähen, Regen fällt. Zur ersten Orientierung spaziere ich über den Fluss, keuche dann eine ziemlich endlose Treppe den Hügel hinauf zum gigantischen Weißen Buddha. Auch dort hängt lärmendes Jungvolk der internationalen Billigheimerei herum, ich werfe verstohlen einen Schein in die wie ein Safe aussehende Donationbox. Im Tempel ein Stockwerk am Berg tiefer aber sitzt allein ein dunkelrot eingewickelter Mönch. Er nimmt meine drei Kniefälle, wie sichs gehört mit der Stirn bis auf den Teppichboden, und meine rosafarbene Geldschein- Spende in seine Messingschale schmunzelnd zur Kenntnis, bespritzt mich darauf mit einem Besenwedel unter segnendem Sermon mit doch sicher heiligem Wasser und knotet mir ein blütenweißes Bändchen ums Handgelenk. Good luck, sagt er zum Schluss auf Englisch, damit auch alle guten und nicht so guten Geister die Botschaft verstehen sollten.

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6 Antworten zu Die Geister haben schlechte Laune

  1. kormoranflug schreibt:

    Good luck, weiterhin wünscht der Kormoran-Vogel

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  2. eimaeckel schreibt:

    Dass man mit verdorbenem Magen zu beten anfängt, kenne ich gut. 😉 Danke für den Tipp für meine nächste Motorradtour.

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  3. Jules van der Ley schreibt:

    Ich war noch nie dort, von wo du so farbige Impressionen mitteilst. Ein Satz stieß mir auf: „Frauen, besonders die aus traditionellen ethnischen Gemeinschaften, sind hier der letzte Dreck.“ Und ich dachte, das wäre für mich ein Grund, nicht dorthin zu fahren. Ich wollts einfach nicht mitansehen.

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  4. docvogel schreibt:

    Es gibt hier noch vieles mehr, das nicht schön und gut ist.
    Wenn es danach ginge, dürfte ich nicht nach Hause zurückkehren.

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